Raumrekurs

Begleittext von Christoph Zitzlaff im Katalog "Eine Höhle für Platon", 2009

Lichtblitze im Souterrain. Ein zunächst kaum dechiffrierbares Bild, das erst komplett irritiert. Das sich, als Dia in mäßig schnellem Intervall stroboskopartig an die Wand geworfen, mehr und mehr in die Wahrnehmung einbrennt, sich schließlich unverlierbar einfräst in das Koordinatensystem von Architektur, Raum und Licht. Was passiert in diesem Verschlag, dieser verwinkelten Kammer unter einem Kellertreppenabsatz der Villa Ingenohl, die Carsten Gliese mit gewohnt subtilen Mitteln in ein Panoptikum der Perzeption verwandelt?
Der Titel von Glieses Arbeit „Sklave“ ist sich selbst Programm. Denn das beständig aufzuckende Lichtbild, von einer auf ein Stativ montierten Fotoblitzlampe produziert, ist eine Aufnahme dieser Projektionsapparatur selbst, als Mehrfachbelichtung in eben diesem Kellerraum von rückwärts fotografiert. Sklave, das heißt, dass diese „Xenolux“-Lampe stets an sich selbst gekettet bleibt, indem sie in nie endender Repetition das Abbild ihrer selbst wieder und wieder projizieren muss – ein sisyphosmäßiger, beständiger Rekurs auf sich und die umgebende Raumsituation im Sekundentakt. Sklave, das ist in Glieses Worten die Sichtbarmachung „der Abhängigkeit einer Lampe von sich selbst.“
Und noch einiges mehr. Denn in dem Eingehen auf die Ortsspezifik führt der in Köln lebende Künstler seine intensive Beschäftigung mit mehrfach gebrochenen und verschachtelten Raum- und Perspektivwahrnehmungen erneut ein Stück weiter. Weil das Dia der „Xenolux“-Lampe auch das Umgebungsbild des Kellerraums zeigt und dieses gewissermaßen auf sich selbst zurückwirft, entsteht ein gedoppeltes Raumkontinuum, eigentlich die Fortsetzung des Verschlages durch eine an der Wahrnehmungslehre geschulte künstliche Lichtintervention, durch die Kreation einer Extremwahrnehmung. Das Resultat ist dieses selbstreflexive, optische Vexierspiel aus Raum und Licht, aus Oberfläche und Tiefenstruktur, ein virtuelles Ausloten sowohl der perspektivischen Möglichkeiten dieser Bonner Raumrealität sowie der intrinsischen Qualitäten von Abbildern überhaupt. „Ich baue mit Licht“, sagt Carsten Gliese. Mit „Sklave“ hat er als moderner Visualarchitekt die vorhandene Raumstruktur der leicht verschimmelten Kammer aus sich selbst herausgeschält und zunächst fragmentiert, um sie dann durch den verwirrend sublimen Stroboskopeffekt neu aufzubauen, der die aus der Aufnahme- und Projektionsprozedur entstehenden Bilder, Schatten und Lichtbalken, der den Vorder-, Hintergrund sowie die Umgebung neu zusammenbindet.