Zwischenbebauung I

2001, Münster, Scharnhorststraße
Digitaldruck auf Vinylplane 1200 x 200 cm
























Mit der monumentalen Fotografie einer Modellarchitektur hat Carsten Gliese die Frontfassade des Treppenhausturmes in einem Wohnbaukomplex verhängt. Deutlich ist an der Materialität der abgebildeten Konstruktion die foto-
grafische Vergrößerung eines kleinen Modells aus Pappe zu erkennen. Als extremes Hochformat zeigt die Fotoplane das Fragment einer Treppen-
situation auf zwei Ebenen. Die reduzierten Architekturformen sind jedoch nicht als maßstäblicher Entwurf eines funktionalen Gebäudes konzipiert. Kann die untere "Etage" noch als merkwürdig proportionierter Treppeneingang interpretiert werden, tendiert der Kanon der Architekturzitate auf der zweiten Ebene zur Abstraktion. Das Modell setzt seinen eigenen Maßstab, den es auch in der surreal anmutenden Vergrößerung zu seinem Umfeld behauptet.

In dem Motiv der Treppe liegt die Berührung zwischen realer Architektur und autonomer Modellvorstellung. Der vorgelagerte Treppenhausturm verbindet mit seinem trapezförmigen Grundriß zwei Wohnblöcke, die sich von ihm wie an einem Gelenk symmetrisch nach hinten abwinkeln. An dieser Schnittstelle imaginärer Bewegung und Öffnung stellt der dokumentarische Charakter der S/W-Fotografie mit dem schmalen Einblick in eine vorzuführende Gestaltung die Fassade als die eines Wohnhauses in Frage. Hinter ihr nimmt in der Ästhetik des skizzenhaften Modells die Vision eines Raumes Gestalt an, der sich im Dialog aus der Struktur der gegebenen Architektur aber unabhängig von allen funktionalen Zwängen neu organisiert. (Milo Köpp)